Tonnenschwere Millimeterarbeit
Dezember, kurz vor Weihnachten: 39 Tonnen Stahl und Mauerwerk schieben sich langsam und auf Millimeter genau auf ihren Platz in der Rückstandsverbrennungsanlage des VC-Betriebs im Chemiepark Knapsack. Ein entscheidender Moment für Westlake Vinnolit. Denn nun kann das Unternehmen das Herzstück der Anlage – seine neue Brennkammer – in Betrieb nehmen. Über 20 Jahre war die bisherige, dem Umweltschutz dienende Anlage in Betrieb. Bei Temperaturen von rund 1.200 Grad verbrannte der PVC-Hersteller dort Abgase sowie flüssige Rückstände und gewann dabei auch Salzsäure wieder zurück. Doch die hohen Temperaturen und der kontinuierliche Betrieb hatten dem Material zugesetzt, eine neue Brennkammer musste her. Der Auftrag mit einem Gesamtwert von mehr als einer halben Million Euro ging an YNCORIS.
Auch wenn Westlake Vinnolit noch eine weitere, kleinere Anlage für die Rückstandsverbrennung betreibt, sollte der Zeitraum zwischen dem Abschalten der alten Brennkammer und der Inbetriebnahme der neuen möglichst kurz sein. Das Team von YNCORIS plante daher im Vorfeld intensiv mit den Kollegen aus der Technik von Westlake Vinnolit. Zusätzlich drosselte der Betrieb in diesem Zeitraum seine Produktion.
GLEICHES MODELL, NEUE HERAUSFORDERUNGEN
Die Brennkammer selbst ist zwar baugleich mit ihrer Vorgängerin, trotzdem galt es einiges zu beachten: In den vergangenen 20 Jahren sind unter anderem die Anforderungen an die Erdbebensicherheit erheblich gestiegen. Gleichzeitig verzögerte und verteuerte der Ukraine-Krieg die Lieferungen des Materials. Auch die vorhandenen Fundamente mussten – anders als erhofft – komplett ersetzt werden. „Über 20 Jahre Betrieb bei den Umgebungs- und Prozessbedingungen hinterlassen ihre Spuren an der Bausubstanz“, sagt Oliver Zdralek, der Projektleiter bei Westlake Vinnolit. „Doch dank der guten Planung und Vorbereitung, des sauberen Designs und des Engagements aller konnten wir den Zeitplan trotzdem einhalten.“
SCHRITT FÜR SCHRITT ZUM ZIEL
Zunächst fertigte der Apparatebau von YNCORIS den acht Meter langen und mehr als drei Meter hohen Stahlzylinder. In ihm werden inzwischen die Rückstände verbrannt. Damit dies möglich ist, wurde er zunächst mit einem Tieflader von der YNCORIS-Hauptwerkstatt zur noch laufenden Rückstandsverbrennung des PVC-Herstellers transportiert und in der Nähe der bestehenden Brennkammer platziert. Wie in so vielen anderen Anlagen waren die Platzverhältnisse beengt. „Um die alte Brennkammer abzubauen und die neue an Ort und Stelle zu bringen, mussten wir Träger versetzen, Kabel verlegen und einen Montageschacht schaffen“, sagt Andreas Breitbach, der Projektverantwortliche bei YNCORIS. Breitbach kennt den Betrieb und die Kollegen aus seiner Zeit bei Westlake Vinnolit.
PRÄZISION GEFRAGT
für Stück und transportierte es mit einem Hebekran über den Montageschacht ab. Der Aufbau des neuen, erdbebensicheren Fundaments erforderte trotz engem Zeitplan höchste Präzision. So musste das Team beispielsweise die Verankerungen für die Brennkammer millimetergenau einbetonieren. „Teilweise haben wir Tag und Nacht daran gearbeitet“, so Breitbach weiter. Während das Fundament trocknete, errichtete die Schwermontage ein Transportschienensystem, über das die inzwischen fast 40 Tonnen schwere Brennkammer an ihren endgültigen Platz gerollt wurde. Um Verwindungen und dadurch entstehende Risse zu vermeiden, musste das Team die Kammer zunächst über eine hydraulische Hebevorrichtung langsam und vorsichtig auf spezielle Rollen bringen, über hydraulische Winden auf das Fundament ziehen und wieder sorgsam ablassen.
Seit kurz vor Weihnachten ist die neue Brennkammer in Betrieb – und arbeitet wie gewünscht. Derzeit ist noch eine säurefeste Plattierung in Arbeit, den April-Stillstand will das Team nutzen, um einen Brennerstein auszuwechseln. Er konnte während der vergangenen Bauarbeiten lediglich repariert werden. Zdralek: „Wir sind sehr zufrieden, dass alles so gut funktioniert hat. So können wir weiterhin gefährliche Abfälle sehr effizient, produktionsnah und umweltschonend entsorgen. Dabei gewinnen wir Salzsäure zurück und die Abwärme dient der Dampferzeugung. Eine tolle Leistung des gesamten Teams.“
EIN PAAR FAKTEN ZUR BRENNKAMMER
Länge: 8 Meter
Höhe: 3,30 Meter
Leergewicht des Rohrs: etwa 9 Tonnen
Gesamtgewicht der Brennkammer nach Fertigstellung: fast 40 Tonnen